„Die ungarische Nation bringt in ihrem Kampf, in ihrer Arbeitsfreude wunderbar wertvolle Perlen hervor. Sie sind die schönsten Beispiele für die Berufung einer Nation zum Leben. Eine solche Perle ist auch unsere Volkskunst. Ihre Entwicklung können wir mit Aufmerksamkeit verfolgen – ihren Ursprung können wir uns nicht ins Gedächtnis rufen. Was war das für ein Sandkorn, das die Muschel zur Produktion einer Perle anregte? Im Nachhinein wissen wir das nicht.

Heute pressen die Perlenfischer etwas hinein, woraus sich eine Perle entwickelt. Es beginnt auf künstliche Art und Weise, aber es entsteht eine Perle. Ich betrachte die Halaser Spitze als eine solche Perle, die im Entstehen begriffen ist. Die Halaser Spitze ist keine Volkskunst, aber sie ist prächtig, abwechslungsreich, reich im Detail. Ihre Technik kann die Mittel der Volkskunst, deren Schönheit und deren Vertiefung in die Arbeit ihr Eigen nennen.” (Gedanken eines Zeitungsredakteurs aus den 1930er Jahren)

Das Andenken an die jahrhundertelange Vergangenheit der Halaser Spitze wird an einem würdigen Platz, dem Spitzenhaus von Kiskunhalas, gewahrt. Durch die hingebungsvolle Liebe zur Arbeit der in dem Haus tätigen Spitzennäherinnen ist die Berühmtheit der Halaser Spitze auch heute ungebrochen. Die Entstehungszeit dieser Spitze ist um die Wende zum 20. Jahrhundert anzunehmen, eine Epoche, in der die Massenware der Industrie die Schätze der ungarischen Volkskunst immer mehr verdrängte. In dieser Zeit, da das Tragen von Spitze erneut in Mode kam, wandte sich die Aufmerksamkeit der Kunstgewerbler der ungarischen Spitzenfertigung zu. In erster Linie versuchten sie an den Orten die Spitzenherstellung erneut aufleben zu lassen, wo man sich schon früher mit dem Klöppeln oder dem Spitzenähen beschäftigt hatte, wie zum Beispiel in Sóvár im Komitat Sáros. Die neue Spitze musste allerdings sowohl dem heiklen Geschmack und der Mode der Zeit, als auch gleichermaßen dem heimischen wie dem ausländischen Markt genüge tun. Dieser Anspruch wurde trotz aller Bemühung an den meisten Orten nicht erfüllt. Vielleicht ist es auch deshalb verwunderlich, dass es gerade in Kiskunhalas – einer Stadt in der Großen Tiefebene, wo die Spitzenfertigung über keine Tradition verfügte – zur Entstehung und Schaffung der neuen ungarischen Nähspitze kam.

Die Entstehung der Halaser Spitze ist in erster Linie mit dem Namen Árpád Dékáni verbunden, den es im Herbst 1886 nach Kiskunhalas verschlug. Als Zeichenlehrer sammelte er mit seinen Schülern die Stickmuster der Schafspelzumhänge, die Verzierungen der Bauernmäntel, die „ungarischen Motive”.

Das Resultat seiner Arbeit sollte für irgend etwas von Nutzen sein, worin das kumanische Erbe weiterleben und sich entwickeln konnte. Die Herstellung der Spitze ist allerdings nicht mehr mit dem Namen von Dékáni verbunden. Mária Markovits war es, die, eine Form für die wunderschönen Entwürfe findend, die Halaser Spitze schuf. Sie eröffnete 1902 eine Bettwäschen-Näherei in Kiskunhalas und begann aufgrund von Dékánis Entwürfen die Arbeit. Ihre ersten Proben waren erfolglos, da die in Ungarn bis dahin gebräuchliche venezianische Nähspitze mit 10-12 Stichen nicht die gewünschte Wirkung erreichte. Da beschritt sie den einzig gangbaren Weg und wandte bei der Nähspitze neue Stiche an. Die Anzahl dieser bis dahin unbekannten Stiche vermehrte sie bis zu ihrem Lebensende unermüdlich bis auf die Zahl von fünfzig. Ausgehend von den Grundelementen der venezianischen Spitzennäherei schuf sie die für die ungarische Spitzenäherei geeigneten Stichreihen.

Aufgrund der ersten erhaltenen Muster, deren Entstehungszeit im 16. Jahrhundert vermutet wird, unterscheiden wir in der Spitzenfertigung die Näh- und die Klöppelspitzen. Als Ursprungsland beider Techniken wird Italien angenommen, obwohl laut manchen Forschern der Ursprung der Klöppelspitze dem Volk der Niederlande zugeordnet wird. Bei der Herstellung der zwei Arten von Spitze gibt es beträchtliche Abweichungen. Anhand des Rohmaterials, des zur Herstellung der Spitze verwendeten Garns und der Qualität der Stiche kann man im Allgemeinen feststellen, von welchem Volk, in welchem Jahrhundert und zu welchem Zweck die Spitze gefertigt wurde. Von der venezianischen Spitze, die wir zu den ersten Nähspitzen zählen, wurden später zahlreiche Varianten geschaffen, die Reticell- die Relief- die Rosaline- und die Flachspitze.

Die ersten erhaltenen Spitzen ahmen die Reticellspitze nach. Später veränderten sich langsam die Muster und stellten stilisierte Pflanzenmotive dar. Diese sind auch gegenwärtig in der Brabanter Spitze vertreten, die Brüsseler Nähspitze genannt wird. Daneben wurden die Chantilly- und die Mailänder Netzspitzen bekannt. In der Entwicklung der Nähspitze bedeutete die Schaffung des sogenannten Brüsseler Netzgrundes einen großen Schritt nach vorn, dieser wurde vor allem bei den Malinespitzen angewendet. Unter den Spitzen mit Netzgrund sind die Valenciennes-Spitzen hervorzuheben.

Zu den weltbekannt gewordenen, in Nadeltechnik hergestellten französischen Spitzen zählt man die unter den Namen Alencon-, Argenton-, Sedan-, die Point-de-france-Spitze bekannt gewordenen Stücke. Nach dem Vorbild der venezianischen und Alencon-Spitzen entstanden Mitte des 18. Jahrhunderts die Brüsseler Nähspitzen (es kann verwirren, dass unter diesem Namen Näh- und Klöppelspitzen gleichermaßen bekannt sind). Die verbreiteten Spitzen mit diesem berühmten Namen wurden auch in Spanien gefertigt. Von der Entstehung einer ungarischen Spitze können wir ab dem 16. Jahrhundert sprechen. Die Hersteller der Klöppelspitze waren mit den Knopfmachern, den Posamentenherstellern und den Schnurmachern in einer Zunft. Diese Klöppler, die hauptsächlich eingewanderten Völkern angehörten, übernahmen selten die ungarischen Muster. Für die aus dem Ausland eingeführten Formen der Klöppelspitze ist die Soóvárer Spitze ein gutes Beispiel, die im 17. Jahrhundert bekannt wurde. Die heimischen Spitzen wurden dem Volkstümlichen zugeordnet, aber nach den Aussagen von Experten ist das nicht in jedem Fall zu entscheiden, denn während unter anderen Völkern die Anwendung der Technik der Spitzennäherei schon zur Tradition wurde, wie zum Beispiel bei den Slowaken, wurde sie im Kreis der ungarischen Bauern, obwohl die Techniken bekannt waren, nicht zu einem Teil der Volkskunst.

Die Halaser Spitze wurde als Produkt des Kunstgewerbes in die Reihe der in Ungarn anzutreffenden Spitzen aufgenommen. Die jetzt einhundertjährige Halaser Spitze wird heute im Rahmen der Halaser Stiftung, die von der Selbstverwaltung gefördert wird, hergestellt. Ihr Erfolg macht deutlich, dass sich in den seit ihrer Schaffung vergangenen Jahren immer eine Institution fand, die sie unter ihre Fittiche nahm und ihr über schwere Zeiten hinweghalf. Die mit großem Sachverstand und viel Liebe gefertigten Arbeiten erreichten die erwartete Anerkennung auf Ausstellungen in verschiedenen Ländern. Neben der Halaser Spitzen-Stiftung rief die Selbstverwaltung von Kiskunhalas das Halaser Spitzenzentrum ins Leben, das die in Ungarn tätigen Spitzennäher vereinigt und sie nach seinen Möglichkeiten fördert. Ein Resultat der Zusammenarbeit der zwei Stiftungen sind die seit 1998 in jedem zweiten Jahr veranstalteten Spitzen-Weltausstellungen.

Zum Schluss soll hier ein Zitat von der ersten Firmenkarte der Spitzennähwerkstatt aus dem Jahre 1902 stehen: „Die von armen Mädchen gefertigte Halaser Spitze mit ungarischem Muster wird der Gunst des sich für künstlerische Schönheit interessierenden Publikums empfohlen…”