Vom Stammesfürst zum apostelischen König

Bereits die Gründung des christlichen Staates Ungarn wurde von einer bayerischen Fürstentochter wesentlich mitgetragen.
Um 830 wurden die ungarischen Stämme allmählich unabhängig und zogen nach Westen, zu den Karpaten. Zu dieser Zeit lebten sie unter einer Art Doppelfürstentum:
der Heerführer, der Gyula übte die eigentliche Macht aus
der sakrale Fürst, der Kende, übernahm die representativen Aufgaben.

Árpád und sein Heer drangen in das Karpatenbecken ein und besetzten das zum Ostfränkischen Reich gehörende Pannonien sowie das mährische Grenzgebiet um Nitra (damals: Neutra).
Árpád schlug sein Lager in der Nähe von Fehérvár auf. Sein Zelt galt als das Eleganteste: teure Teppiche und prächtige Sitzkissen schmückten die voneinander abgetrennten Bereiche. Von hier aus unternahmen seine Reitertruppen Streifzüge in verschiedene Länder Europas.
Die Geschichtsschreibung spricht über fünfzig derartige Kriegszüge im X. Jrhdt.

Die Madjaren gelangten u.a. nach Sachsen, Spanien, Italien und Mazedonien. Auf die Erfolge der Árpádschen Truppen wurden der Herzog von Lothringen sowie viele bayerische Hochadlige aufmerksam, die sich gegen den deutschen König Otto I. verbündeten.
Sie wandten sich an die Ungarn und baten um ihre Hilfe.
Für die ungarische Teilnahme in diesem innerdeutschen Konflikt nahm Otto Rache: Ihm gelang es in der Schlacht bei Lechfeld, im August 955, die Ungarn zu besiegen und die geschlagene Armee bis nach Pannonien zu verfolgen.
Die daheim gebliebenen Ungarn sehnten sich nach Frieden und hießen die aus Byzanz kommenden Bischöfe willkommen. Die Bereitschaft, dem Christentum beizutreten und sich eine friedliche Lebensform anzueignen, war bereits in dieser Zeit unverkennbar. Zudem wandelte sich Ungarn zum Bindeglied des damaligen „internationalen Handels“, dessen Zentrum sich in Böhmen befand. Hier trafen sich die Händler aus der westeuropäischen Region mit ihren jüdischen und mohammedanischen Partnern – zu den wichtigsten Waren gehörten Silber und Pferde.

Der Prozess der Aufnahme der römisch-katholischen Religion

Der Stammesfürst Géza (ursprüngl.:Geyza/940-997), ein Enkel von Árpád, war der erste ungarische Herrscher, dessen Persönlichkeit von seinen Zeitgenossen beschrieben wurde.
Da er neben dem allmächtigen Gott verschiedenen falschen Göttern Opfer darbrachte, tadelte das sein Bischof; er aber versicherte, dazu sei er reich und mächtig genug“ – so beschreibt Bischof Thietmar von Merseburg (975-1018) seine Charakterzüge.
Seine Macht teilte er mit der Königin Sarolta (urspr.: Sarolt), der Tochter eines siebenbürgischen Stammesfürsten, die nebst ihrer äußeren Schönheit – zumindest nach der Schilderung des oben zitierten Chronisten – keineswegs nur rein weibliche Eigenschaften besaß: Unter anderem „trank die schöne Herrin unmäßig, saß wie ein Kriegsmann zu Pferde”.
Gézas Land befand sich in der Tiefebene zwischen Donau und Theiß und auch Siebenbürgen gehörte dazu. Damit lag es zwischen zwei Großmächten: dem Römisch-Germanischen Kaiserreich und Byzanz. Schließlich wählte Géza statt der griechischen Bekehrung die lateinische und schickte dem mittlerweile zum Kaiser gekrönten Otto I. eine Botschaft, in dem er um seine Hilfe bat.
Mit der ehrbaren Mission, den Ungarn den christlichen Glauben beizubringen, wurde Bischof Pilgrim aus dem Bistum Passau beauftragt. Nur sechzehn Jahre waren seit der legendären Lechfeldschlacht vergangen und die Höllenangst vor den „räuberischen Monstern“ an der Donau saß noch tief in den Knochen der Nachbarvölker. Der mutige Bischof, der sein Missionswerk mit dem Ausbau einer kompletten Kirchenorganisation in Ungarland gekrönt hatte, ist vor keinerlei Methode erschrocken: Um seiner Person eine größere Bedeutung zu verschaffen, beging er Urkundenfälschung und verkaufte sich so als Erzbischof von Bayern. Ob durch diese Manipulation oder seine Überzeugungskraft: es ist eine Tatsache, daß Pilgrim binnen kurzer Zeit 5000 Ungarn zur Taufe bewegen konnte.
Der Kirchenhistoriker Albert Hauck fasst Pilgrims Eindrücke wie folgt zusammen: „was er dort sah, erfreute ihn auf das höchste. Denn er traf eine viel größere Bereitwilligkeit, die christliche Religion anzunehmen, als er sie bei einem Volke erwarten konnte, das bis vor kurzem der Schrecken Europas gewesen war.“

(Das zu verstehen, muss man aber bis zu den Wurzeln zurückgreifen. Eine Religion, die man seit dem Märtyrertod von Mani, als Manicheismus bezeichnet. Er war derjenige, der die christlichen Lehren in die Religion integrierte, in diese ansonsten die Sonne anbetende, die Muttererde als Großliebfrau (Boldogasszony) verehrende Naturreligion.)

Sicherlich mangelte es während des Christianisierungsprozesses nicht an Gewalt; allerdings ist über die Zahl der Todesopfer nichts Genaues bekannt.

Die Politik des Friedens

Der ungarische Herrscher steckte seine ganze Kraft in diesen Prozess und erkannte rechtzeitig, dass dazu eine außenpolitische Ruhe notwendig war.
Mit seiner Friedenspolitik versuchte er zunächst, die Grenze seine Landes zu sichern.
Das Umfeld wurde durch die Spaltung des Deutschen Reiches zunehmend instabil. Géza verhielt sich nüchtern und schlug die Koalition mit dem Bayerischen Herzogtum aus; vielmehr suchte er das Bündnis mit dem Erzfeind von einst und dem Sieger bei Lechfeld: Kaiser Otto. Er stellte dem Nachbarn sogar ein Stück ungarisches Grenzödland zur Verfügung. So wüteten die Feindseligkeiten zwischen Bayern und Deutschen an der Grenze Ungarns und Géza konnte seine Nichteinmischung so lange bewahren, bis Kaiser Otto im Jahre 983 starb.

Géza ließ sich mitsamt seiner Familie im Jahre 972 taufen.
Aus seiner Ehe mit Sarolta stammen drei Töchter und ein Sohn, der Stammesfürst Vajk, der in der Taufe den Namen István (Stephan) erhielt und als der erste König in die ungarische Geschichte einging. Er wurde in Esztergom geboren, (höchstwahrscheinlich im Jahre 975).
Zu dieser Zeit starb Bayerns Herrscher, Heinrich der Zänker, und Géza war sogleich um die Stabilisierung der bayerisch-ungarischen Verhältnisse bemüht. Er schickte seine Abgesandten nach Regensburg und hieß sie dort willkommen.
Damit wurde die spätere Ehe Stephans mit der Herzogin Gisela begründet, die unmittelbar zur Staatsgründung beitragen sollte.
Durch die Übersendung oder Zurücksendung der Krone von Papst Silvester an König Stephan wurde dieses Ereignis im Jahr 1000 besiegelt. (siehe Heilige Krone)

Bereits am Ende des zehnten Jahrhunderts galten Mischehen als eine akzeptable Institution, durch die eine Nation ihre strategischen oder politischen Ziele gegenüber einer anderen zu verwirklichen suchte. Heiratsbündnisse als Konfliktlösungen benutzten auch die Byzantinischen Kaiser, die ihre heidnischen Nachbarvölker zum griechischen Christentum bekehren wollten. Nun hatte sich Géza jedoch für das westliche Bekehrungsmodell entschieden und erwies sich um 970 unter seinen westlichen Amtskollegen als ein ausgesprochen nüchterner Staatsmann.
Er erhielt darum auch eine Einladung zum Königstreffen nach Quedlinburg am 23. März 973. Der zeitgenössische Chronist Thietmar von Merseburg fasst den „EU-Gipfel“ von damals wie folgt zusammen: „Hier fanden sich auf Anordnung des Kaisers die Vertreter der Griechen, Beneventer, Ungarn, Bulgaren, Dänen, Slawen und alle Großen aus dem gesamten Königreiche. Alle Fragen fanden eine friedliche Schlichtung, und man kehrte mit reichen Gaben beschenkt frohgemut heim.“ Als Zeichen der guten Stimmung zeigte Géza sodann besonderen Eifer bei der römisch-katholischen Christianisierung seines Landes. Diesen Prozess besiegelte er durch die Verehelichung seines Sohnes mit einer deutschen Fürstentochter.

Historische Mischehe – Gisela und Stephan

Nach dem Tod Heinrichs des Zänkers im Jahr 955 nahmen Stephans Eltern die ersten Kontakte mit dem Priester Hl. Adalbert auf, um ihn mit der Vorbereitung der deutsch-ungarischen Eheschließung zu beauftragen.
Als Braut wurde die damals ungefähr fünfzehnjährige Gisela,Tochter des verstorbenen Bayernherrschers und Gisela von Burgund ausgewählt. Gisela, sowie ihre zwei Schwestern, wurde ursprünglich als Äbtissin für das Kloster bestimmt. Die hochkarätige Delegation des ungarischen Großfürsten konnte die Pläne der strengen Mutter Gisela nur schwer ändern.
Giselas Biograph Konrád Szántó schildert die Legende um die letzte Entscheidung über die Ehe ausführlich: „ Im fernen Kloster Grandesheim, das Stephan ebenfalls besucht habe, sei die Äbtissin durch das vornehme und höfliche Benehmen des Jünglings schnell zur Aufgabe ihres Widerstandes bewegt worden. Dann habe sie Stephan noch vor eine letzte Probe gestellt, in dem sie das Treffen der beiden jungen Menschen lange hinausgezögert und dies später so organisiert habe, dass der ungarische Thronerbe Gisela zuerst im Klostergarten, im Gebet vor einer Statue kniend, gesehen habe. Die Äbtissin habe Stephan die kniende Schwester gezeigt und aufgepasst, wie sich der ´barbarische´ Fürst verhalte. Stephan habe daraufhin seine Rüstung abgelegt, sei unbemerkt hinter Gisela getreten und habe sich vor dem Bild verbeugt und bewegungslos gewartet, bis Gisela ihre Andacht beendet habe. Er habe mit seiner disziplinierten Haltung die Äbtissin davon überzeugt, dass er der Hand Giselas würdig sei.“
Über das genau Alter von Stephan und Gisela, sowie um Datum und Ort der Vermählung, gibt es viel Rätselraten. Es ist wahrscheinlich, dass Gisela zum Zeitpunkt der Brautwerbung von 995 zwischen zehn und fünfzehn, Stephan achtzehn Jahre alt war. Die Trauung fand wenige Jahre später 996 oder 997 entweder in Regensburg oder in Scheyern, in der Burgkapelle der Grafen Scheyern-Wittelsbach statt.
Eins ist sicher: zu jener Zeit gab es in Ungarn keine größeren Kirchen oder Kloster, wohin man die deutsche Verwandtschaft hätte einladen können; deshalb musste der bisherige Modus Vivendi – nach dem die Braut an der Landesgrenze ihrem Zukünftigen feierlich überreicht wird – modifiziert werden.
Nach der Überlieferung brach der Festzug nach der Vermählung auf dem Schiffsweg nach Ungarn auf und Giselas Bruder, Herzog Heinrich (der spätere deutsch-römische Kaiser) soll seine Schwester stromabwärts begleitet haben. In Passau unterbrachen sie die Reise, weil ihnen dort vom Nachfolger Pilgrims, Bischof Christian ein feierlicher Empfang bereitet wurde. Erst danach wurde die Friedensgrenze zwischen Bayern und Ungarn überschritten. Das frisch verheiratete Paar begab sich zunächst in die fürstliche Residenz nach Nitra (damals Neutra, heute Slowakei).

Der Kampf um den Thron

Der junge Gatte musste erstmals nach dem Tod seines Vaters Géza (ursprüngl. Geyza) im Jahre 997 seine Herrscherposition sichern. Zwar wurde er als Thronfolger designiert – was er bei der Verlobung als selbstverständlich dargelegt hatte – die heimische Konkurrenz meldete sich jedoch umgehend zu Wort. Als der konsequenteste unter ihnen erwies sich ein Nachfahre von Árpád: Koppány, der Fürst von Somogy (südlich vom Plattensee). Um seiner Person noch größere Bedeutung zu schenken, erbat er die Hand von Stephans Mutter, Sarolta (ursprüngl. Sarolt).
Er wollte nach dem ungarischen Urrecht, die Führung in die Hand nehmen, und Ungarn mit der Urreligion auf das alte Gleis zurücklenken.
Stephan schlug ihn mit der Hilfe von Bayern, er ließ seinen Leichnam in vier Stücke schneiden und diese an den Toren der Städte Györ, Veszprém und Esztergom befestigen – eines ließ er den Familienangehörigen zuschicken.

Dieses Thema wurde ebenfalls von der Unterhaltungsbranche aufgegriffen…..

Es gibt eine ungarische Rockoper, namens „István, a király” (Stephan, der König), die genau diesen Problemkreis aufarbeitete. Die Songs sind bis zum heutigen Tag unglaublich populär.

Unter anderen ist ein Film von der ungarischen Landnahme mit Franco Nero gedreht worden, dessen Song in Ungarn sehr beliebt wurde.

hier der Film:
Honfoglalás (Landnahme), 1996 by Gabor Koltai

und nun der erwähnte, berühmte Filmsong von Ferenc Demjen:

Tod von Koppany
Bilderchronik

Nachdem der Gegner beseitigt war, ließ sich Stephan wahrscheinlich um Weihnachten 1000 zum König von Ungarn krönen.
Stephan, der zugleich streng und freundlich wirkte, trug einen Krönungsmantel, vermutlich eine eigenhändige Stickarbeit von Gisela.
Im ungarischen Nationalmuseum ist eine einzige zeitgenössische Darstellung dieses Ereignisses zu finden. Danach ist zu vermuten, dass Stephan grosse, offene Augen, ein längliches Gesicht und einen kurzen Bart hatte. Von der Gestalt her war er mittelgross.
Gisela war hingegen viel größer, ihre für jene Zeit untypische Körpergröße erreichte etwa 170 cm.
Die hundert Jahre später verfasste Stephanslegende widmet der Krönung nur einen Absatz:
„Auf die Frage des die Krönung vollziehenden Geistlichen riefen die anwesenden Priester, Gespanne und das Volk Stephan zum König aus. Danach salbte der Geistliche den König mit geweihtem Öl, übergab ihm das geweihte Schwert, das Zepter und den Ring und setzte ihm die Krone aufs Haupt. Als Gefährtin seiner Herrschaft, vor allem um Kinder zu zeugen, nahm er sich Gisela zur Frau (…). Er ließ sie zur Königin salben und setzte fest, dass sie in der Herrschaft über das Königreich ihm zur Seite stehen sollte.“
Gisela erhielt eine eigene Königinnenkrone. Der Überlieferung gemäß brachte der Zeremonienmeister Domonkos die bevorstehenden Aufgaben der Königin so zum Ausdruck:
„Nimm das Zepter der Tugend und Gerechtigkeit, sei gegenüber den Armen barmherzig und milde! Sorge mit der größten Hingabe für die Witwen und Waisen!“ Gisela, die dank ihrer Erziehung alle Eigenschaften einer „Sozialarbeiterin“ besaß, übernahm diese Aufgaben gerne und unterstützte ihren Ehemann, obwohl sie kein direktes Mitglied des Königlichen Rates war und an den Landesversammlungen nicht teilnahm.
Sie fungierte vielmehr als seine vielseitige Beraterin. Sie aktivierte die internationalen Beziehungen des Landes und holte zahlreiche Vertreter des bayerischen Klerus in ihre Wahlheimat. Außerdem tätigte sie Schenkungen und Stiftungen an insgesamt zehn Bistümer und Abteien in Pannonien und Siebenbürgen.

Gisela als Herrin der Ungarn war darum bemüht, ausländische Pilger auf deren Zwischenstation – beispielsweise auf dem Weg nach Jerusalem – zu betreuen.
Mit dem Flüchtligsproblem des frühen Mittelalters hatte sie ebenso viel zu tun: bei Kaiser Heinrich war es gang und gäbe, in Ungnade gefallene Personen des Hofes aus dem Land auszuweisen. Dieses Schicksal ereilte Giselas Bruder Bruno, der in Ungarn freundliche Aufnahme erfuhr. Gisela empfing in ihrem Hauptsitz in Veszprém auch andere deutsche Gäste, die als Reisende nach Ungarn kamen und unter anderem Kunstgegenstände erwarben.
Die Etablierung der Gewerbe zur Herstellung von Schmuck ist ebenfalls auf Gisela zurückzuführen: sie gründete mehrere Werkstätten, wo nach ihren Anweisungen gearbeitet wurde. In einem Nonnenkloster bei Veszprém entstand eine grosse Werkstatt für die Herstellung kirchlicher Gewänder, in Esztergom eine andere, wo unter „Regensburger Leitung“ Schneider- und Weberarbeiten durchgeführt wurden.

Die Etablierung der Kirche

Der damaligen Gewohnheit entsprechend, unterbreitete Stephan Papst Silvester II. schriftlich die Bitte, ein ungarisches Erzbistum gründen zu können.
Ein zuversichtlicher Bote übergab in Ravenna das Schriftstück. Kaiser Otto III., der sich zu diesem Zeitpunkt als Gast des Papstes in Italien befand. Er begrüßte die Entscheidung des Heiligen Vaters, der Stephan für den Aufbau der Kirchenorganisation in Ungarn freie Hand gab.
Der König machte sich gleich ans Werk und gründete zahlreiche Bistümer (in Kalocsa, Vác usw.) quer durch das Land.
„Es war aber eine löbliche Gewohnheit König Stephans, dass er alle Kirchen, die er selber gegründet hatte, in jedem Jahr mindestens dreimal besuchte. Und wenn er zu einer solchen Kirche kam, suchte er alle Altäre nacheinander auf und betete bei jedem. Dann verließ er die Kirche und ging um sie von außen herum, suchte Fehler des Daches und der Wände mit prüfenden Augen, besichtigte genau die Risse darin und ordnete ihre sofortige Ausbesserung an; auch verließ er nie eine solche Stadt und ein solches Dorf , ehe er die Ausbesserung selbst sah.“ – so lesen wir in der Bilderchronik des Markus von Kált.
Das größte Bauprojekt des Ehepaares konzentrierte sich jedoch in Altofen (Óbuda), wo in der Mitte der Stadt ein Münster erbaut wurde. Gisela überzeugte Stephan davon, dass er für die Perfektion der Architektur einen Meister der Steinmetzkunst aus Griechenland einladen sollte. Sie wollte den neuen Wohnort der Königsfamilie auf ein internationales Niveau heben.
Stephan nahm die legislativen Aufgaben des Staates ernst. Er beauftragte die Pfarrer und die Gespanne, den Kirchenbesuch zur allgemeinen Pflicht zu machen.
Ob alt oder jung, Mann oder Frau, alle mussten sonntags zum Gottesdienst – bis auf diejenigen, die das Feuer hüteten. Wer die Kirche mied, wurde mit Prügeln und Kahlscheren bestraft. Da es anfangs noch wenig Kirchen gab, stieß die Durchführung des Gesetzes wahrscheinlich auf Schwierigkeiten. So verfasste er eine modifizierte Regelung, in welcher es hieß: Jeweils zehn Dörfer müssen eine Kirche errichten und für deren Unterhalt sorgen Die Geistlichen versorgte das Dorf mit Hengsten, Kühen, Ochsen und Kleinvieh. In den Bistümern standen Texte in lateinischer Sprache zur Verfügung, um die Geistlichen ausbilden zu können.

Stephan konnte stolz auf sein Werk zurückblicken, als er Astricus, den Bischof von Kalocsa nach Rom sandte. Die späteren Chronisten berichten über diesen Besuch ausführlich:
„Astricus erfüllte seine Botschaft. Der Papst freute sich darüber, dass sich die Mutterkirche um eine starke Nation bereicherte, er bestätigte Stephans Maßnahmen, schickte ihm (außer der Krone – Anm. D. Autorin) das Doppelkreuz und eine päpstliche Urkunde.

Die Tragödie der Königsfolge

Wenn der Kronprinz „hochmütig, gehässig und friedlos ist, wird die Kraft der Ritter sicher zum Schutz der königlichen Würde führen.“
Stephan´s Lehre, § 4.
Die dreißiger Jahre des 11. Jahrhunderts brachten eine Reihe von Familientragödien mit sich: der einzige am Leben gebliebene Sohn des Königspaars, Emmerich,(Imre) kam im September 1031 auf einer Jagd ums Leben – mehreren Chroniken zufolge wurde er von einem Wildschwein überrannt.
Den Geschichtswissenschaftlern sind keine genauen Angaben über die Zahl der Kinder von Gisela und Stephan möglich. Die erstgeborenen Söhne starben wahrscheinlich im frühen Kindesalter, was zu jener Zeit wegen der katastrophalen hygienischen Zustände keine Seltenheit war. Man spricht noch von zwei Töchtern – den Fürstinnen Agota und Hedvig – die ins Ausland verheiratet wurden und keine Nachkommen hinterließen.
In die Ausbildung des einzigen Kronprinzen Emmerich war sehr viel investiert worden: Stephan beauftragte den herausragenden Theologen Gerhardt
(den späteren Bischof Gellért), sich in der Veszprémer Pfalz um die Ausbildung seines Sohnes zu kümmern. Das Lehrmaterial wurde von Stephan persönlich zusammengestellt und enthielt unter anderem seine erworbenen Erfahrungen im Bereich „Thronsicherung und friedliches Zusammenleben“.
Wie Markus von Kált in seiner Bilderchronik beschreibt, trug die Arbeit bald Früchte: “Der Fürst Emmerich war in der Blüte seiner ersten Jugend über die allgemeine menschliche Natur hinaus mit göttlichen Gaben begnadet, bewaffnet mit Gerechtigkeit, Klugheit, Tapferkeit, Mäßigung, Weisheit und Wissenschaft, Ausdauer, Barmherzigkeit, Güte, Großmut, Demut, Geduld und mit allen politischen Tugenden geschmückt, ähnlich wie sein Vater, der heilige Stephan.“

Stephan legte grossen Wert darauf, seine Tätigkeiten, Erneuerungen, Anordnungen und Befehle zu dokumentieren. Die Schreiber, die größtenteils aus Bayern stammten, beurkundeten alle Gründungen und Schenkungen der Bistümer und Abteien. Die Spenden der Sponsoren des 11. Jahrhunderts – zumal diese nicht in baren Denaren (Ungars damalige Währung) flossen – wurden dank der noch existierenden vorbildlichen deutschen Exaktheit stets in der richtigen Rubrik gutgeschrieben.
Die schreibenden Juristen verfassten – anhand des westeuropäischen Usus – ein Volksrecht, das auf die aktuellen Probleme der damaligen ungarischen Gesellschaft zugeschnitten war. Die ersten Gesetze des Corpus Iuris stammen aus dieser Zeit. Mehrere Dutzend Paragraphen von zwei Gesetzbüchern sorgten für den Schutz des Königs und des Königtums. Die Einzelheiten des Strafrechts kamen auch nicht zu kurz; dessen Verletzung bildete einen wichtigen moralischen Punkt in dem Gesamtwerk, in dem – entgegen der christlichen Auffassung – Tötung nur dann bestraft wurde, wenn dies ein Vergehen gegen Privatbesitz war.
Das Verbot der Blutrache kommt im Strafgesetz nicht vor, wodurch körperliche Verstümmelungen de jure legitimiert wurden. Bei Strafe verboten war es hingegen, Brand zu legen oder ein Haus zu überfallen. Individualrache – wie die Tötung der eigenen Ehefrau – galt als strafbar; gegen Bußgeld konnte jedoch der auf diesem Wege verwitwete „temperamentvolle“ Ehemann freigekauft werden.
Es lag in der Selbstjustiz der Familie und Sippen, über die ausgelieferten Täter Urteil zu sprechen.
Stephans Gesetze wurden in den damaligen Nachbarländern als ausgesprochen mild beurteilt, denn Todesstrafe gab es nur im Falle dreifach rückfällig gewordener Straftäter. Maßgebliche Verstöße gegen den christlichen Glauben wurden an die Bischöfe delegiert; eine einfache Nichteinhaltung der Fastenzeit beispielsweise wurde in Ungarn mit einwöchigem Einsperren und Nahrungsentzug geahndet, während eine derartige Untat in Polen mit Zahnherausbrechen quittiert wurde.
Die Gerechtigkeit Stephans sprach sich schnell europaweit herum und löste eine Einwanderungswelle zwecks Existenzgründung zwischen Donau und Theiß aus.

Der Tod Stephans

Ungarns Image – was sich in der Geschichte noch oft wiederholen sollte – zeigte jedoch innerhalb des Landes weniger günstige Züge. Zusammenstöße mit heidnischen Aufständischen standen an der Tagesordnung und nicht zuletzt der Tod von Emmerich destabilisierte das Land.
Márk von Kált berichtet darüber in der Bilderchronik: „Er wurde durch den heiligen Stephan und durch ganz Ungarn untröstlich betrauert und beweint. Die tiefe Trauer schmerzte den heiligen König Stephan so sehr, dass er schwer erkrankte. Auch nach vielen Tagen erholte er sich nicht völlig, und seine einstige Gesundheit erlangte er nie mehr zurück. Er litt auch an Fußbeschwerden, und es quälte ihn besonders, dass er unter seinen Verwandten keinen geeigneten Mann fand, der nach seinem Tode das Land im Glauben Christi hätte bewahren können … Indessen begannen die Körperkräfte ihn zu verlassen.“
Die entscheidende Frage der Thronfolge wurde zunehmend aktuell.
In der Verwandtschaft ersten Grades befand sich Vazul, ein Vetter von Stephan, der zu jener Zeit wegen eines Attentats gegen den König im Kerker von Nitra (Neutra) war. Stephan war bereit, diesen „Gefängnisinsassen“ auf den ungarischen Thron zu setzen und schickte kurz vor seinem Tod im Jahre 1038 einen Boten mit seinem Angebot zu ihm. Die wachsame Gisela, die mit diesem Vorhaben keineswegs einverstanden war, sie bevorzugte ihre Familie, reagierte mit einer raffinierten Gegenaktion, indem sie ebenfalls einen Boten dorthin sandte. Letzterer war schneller und erfüllte seinen speziellen Auftrag prompt: Er stach Vazul die Augen aus und ließ in seine Ohren Blei gießen. Vazul erschien in diesem Zustand vor dem König, der angeblich in Tränen ausbrach. Gisela entwickelte derweil einen weiteren Plan.
Sie wollte auf jeden Fall verhindern, dass die byzantinische Braut ihres verstorbenen Sohnes – also die potentielle Schwiegertochter Giselas, die zu dieser Zeit auch in Veszprém lebte und zu Emmerichs Lebzeiten von der Königin persönlich erzogen und behütet worden war – die zukünftige Herrin des Landes würde.
Sie hatte viel mehr Vertrauen in den italienischen Neffen Stephans und Sohn des Dogen von Venedig, Peter Orseolo (1011-1058).
Am 15. August 1038 starb König Stephan. Der Chronist Márkus von Kált erzählt über die wiederkehrende trübe Stimmung des Landes:
„Sobald verwandelte sich das Zitherspiel in ganz Ungarn in Trauer, und die ganze Bevölkerung des Landes, die Vornehmen wie die Niederen, die Reichen und die Armen beweinten den Tod des heiligen Königs, (im Jahre 1083 wurde er heiliggesprochen, A.D.) des gnädigen Vaters der Waisen, mit reichfließenden Tränen und lauten Wehklagen. Zum Zeichen der Trauer und des Schmerzes kleideten sich die Jünglinge und Mädchen in Schwarz, und drei Jahre lang tanzten sie nicht mehr. Es schwiegen die süßen Stimmen aller Musikinstrumente.“

Nun, die einsame Gisela hatte vor, ihr ganzes Leben dem Gebet, der Mildtätigkeit und dem Kunsthandwerk zu widmen. Doch der „landfremde“ Peter hatte sie ihrer Freiheit und Güter beraubt und verbot vielen ihrer hiesigen Landsleute, sie zu besuchen. Während seiner kurzen Amtszeit von drei Jahren gelang es ihm, die Errungenschaften seines Vorgängers zu zerstören. Er holte Italiener und Deutsche ins Land und setzte ungarische Bischöfe ab. Der Chronist schildert diesen Prozess bildhaft: „Er verschlang die Güter der Erde zusammen mit Teutonen, die wie wilde Tiere brüllten, und mit Latinern, die wie Schwalben zwitscherten.“
Den Legenden nach nahm er Gisela ihre Einkünfte und einen Teil des Vermögens, missachtete den Königlichen Rat und rief neue Gesetze ins Leben. Damit löste er seine allgemeine Ablehnung bei den Einheimischen.
Im Jahre 1041 organisierte sich der ungarische Adel und vertrieb Peter.

Der nächste Kandidat, Aba Samuel aus der Árpádendynastie, wurde weder vom Kaiser noch vom Papst offiziell anerkannt, weil er für die Wiederaufnahme der Urreligion sorgte. Er bestieg dennoch den Thron und regierte bis 1044. Diese Jahre bedeuteten für Gisela und die Anhänger ihres verstorbenen Mannes ebenfalls keine allzu glückliche Zeit.
Der inzwischen in Bayern weilende Peter schien auf seine Machtambitionen nicht verzichtet zu haben. Die Umsetzung seiner strategischen Pläne würden wir heute mit dem Phänomen „Lobbying“ umschreiben, damals nannte es sich „Bitte um Gnade und Unterstützung“ bei einer der bedeutendsten Persönlichkeiten der damaligen Weltpolitik: dem deutschen König und späteren Kaiser Heinrich III.
Das Vorhaben erwies sich als erfolgreich: Er delegierte Peter auf den Platz von Aba Samuel nach Ungarn, und als Geste gegenüber seiner Landgenossin holte er Gisela in ihre Heimat zurück. Peter erreichte mit dem Heer des Kaisers Ungarn und besiegte Abas Truppen. Ihn erwartete jedoch ein Bürgerkrieg, dem Bischöfe, Geistliche und Christen zum Opfer fielen. Peter wurde wieder vertrieben; diesmal, der Gepflogenheit jener Zeit entsprechend, wurden ihm die Augen ausgestochen und in seine Ohren Blei gegossen.

Die Witwe und ihre treuen Begleiter fuhren inzwischen mit dem Schiff auf der Donau, genauso wie nach ihrer Hochzeit mit Stephan, diesmal aber stromaufwärts nach Passau. Die wahrscheinlich sechzigjährige Bayerin kam in voller Würde dort an und fand eine freundliche Aufnahme als Äbtissin im Kloster Niedernburg – einem Frauenstift des Hl. Benedikts und eines der ältesten Kloster Bayerns. Die historischen Quellen erzählen kaum etwas über die Jahre Giselas hinter dem Schleier, es lässt sich jedoch vermuten, dass Gisela nach dem Grundprinzip des Benediktinerordens „Ora et labora“ („Bete und arbeite“) lebte.
Wir wissen zum Beispiel auch nicht, ob sie noch Kontakte zu Ungarn pflegte. Höchstwahrscheinlich lebte sie bis 1060, hatte also für die Zeit ein ungewöhnlich langes Leben.
Ihr Grab, wie inzwischen wissenschaftlich bewiesen wurde, befindet sich in der Heiligkreuzkirche in Niedernburg. Den Titel „selig“ erhielt sie erst neunhundert Jahre später, 1975.

Die schützende – oder besser gesagt „präsente“ – Hand der Deutschen über das Nachbarland Ungarn zeigte nunmehr klare Konturen. Diese freundschaftliche Kooperation wurde durch gegenseitige persönliche Besuche mit Leben gefüllt.
Zu Pfingsten 1045 stattete Heinrich III. Ungarn einen offiziellen Besuch ab, um mit seinem Amtskollegen Peter gemeinsam zu feiern. Auf diesem Fest – das für den König ohnehin die letzte selbstvergessene spirituelle Begegnung mit dem heiligen Geist war – trug Peter sein Land dem deutschen Gast zu Lehen auf und die ungarischen Adligen leisteten einen Treue-Eid aus. Heinrich ließ Peter als Gegenleistung zum zweiten Mal zum König krönen.
Bei diesem Anlass – bei dem wahrscheinlich reichlich gespeist und getrunken wurde – segnete man das hoffnungsvolle deutsch-ungarische Bündnis ab. Der feurige Wein sorgte lediglich für die Vertiefung der informellen Beziehungen.
Der deutsche Partner konnte jedoch das lehnrechtliche Angebot der Ungarn nicht in Anspruch nehmen, da die aus der Verbannung zurückkehrenden Söhne Vazuls, Andreas und Levente, aus Rache für ihren Vater König Peter vertrieben. Andreas und Levente haben Zuflucht im Hof des Kiewer Fürsten, Jaroslaw den Weisen, gefunden. Kiew, war einst ein Zentrum von Almos.
Wenn man dem Verfasser der Bilderchronik Glauben schenken kann, schickten die Vertreter der Árpádendynastie Peter zunächst ein Drohschreiben in die Burg: „Die Bischöfe sollen mit den Priestern zusammen getötet, die Steuereinnehmer zerstückelt, das Heidentum soll wiederhergestellt werden, das Andenken Peters samt seinen Deutschen sei für alle Zeiten verflucht.“ Einst bleibt jedoch Tatsache: Nachdem der ursprünglich rückwärtsgewandte Andreas den Thron bestiegen hatte, entschied er sich doch für die Beibehaltung des römisch katholischen Christentums.
Der inzwischen zum Kaiser gekrönte Heinrich III war sehr verärgert, seinen Vasallen Peter auf diese blutige Art und Weise verloren zu haben. Mit innerer Distanz betrachtete er die freundliche Kontaktsuche von Andreas, der ihm großzügig alles mögliche, vor allem aber Gehorsamkeit und Steuerzahlungen versprach. Da Andreas keineswegs als Mandant des Deutschen Reiches galt, wurden seine Versprechungen abgelehnt und das deutsche Heer zog Anfang der fünfziger des 11. Jahrhunderts zwei mal nach Ungarn; beide Male erlitt es jedoch einen bitteren Niederschlag bei Pressburg. Die Konsequenzen des „ins Leere laufen lassen“ wurden diesmal auch sichtbar: Ritter und Pferde, ausgehungert und erkrankt, waren kaum in der Lage zu kämpfen. Kaiser Heinrich und sogar Papst Leo IX., der beim letzten Kampf dabei war, schlugen einen Friedensvertrag vor. Der ungarische Partner willigte ein und bot, laut dem Verfasser der Bilderchronik einen ziemlich eigenartigen Schadenersatz vor: „Darauf schickte König Andreas dem Kaiser – mit der gewohnten Großzügigkeit der ungarischen Könige – 50 mächtige Hausen, 2000 Speckseiten, 1000 große Stiere und mehr Brot, als sie mitnehmen konnten; Schafe und Ochsen, überhaupt Rindvieh und Wein in Fülle. Sehr viele Deutsche wurden von dem übermäßigen Essen und Trinken krank, ja sie starben sogar. Die anderen wurden durch die Barmherzigkeit der Ungarn aus dem Rachen des Todes gerettet. Sie ließen ihre Zelte zurück, Schilde und alle Kriegsausrüstung warfen sie weg, und so eilig kehrten sie nach Deutschland heim, daß sie sich nicht einmal umblickten.

Aus der sicheren Heimat wagten sie es schließlich doch, sich umzublicken und verlangten eine richtige Entschädigung – vor allem Tributzahlungen sowie eine Grenzverschiebung zu Gunsten Deutschlands. Den Ausgang der Friedensverhandlungen aus ungarischer Sicht sollte ein unerwartetes Projekt von Andreas retten: Im Jahre 1058 hatte sein fünfjähriger Sohn der elfjährigen Schwester des deutschen Thronnachfolgers, Heinrich IV., durch dieVermittlung des Königsvaters ewige Liebe versprochen. Obwohl den Sohn Salomon (1053-1087) und die deutsche Braut Judith (1047-1086) laut Plan der ungarische Königsthron erwartete, redete wieder ein machtbesessener Feind in die Geschehnisse ein: es war Béla I. (1015-1063), der Bruder von Andreas, der in der Folge zwischen 1060 und 1063 Ungarn regierte. Diese Jahre verbrachte das frischverlobte junge Paar in Bayern und entschied sich, sobald ihre Stunde schlage unverzüglich nach Fehérvár zurückzukehren.
Trotz der pessimistischen Aussichten brachte die Amtszeit von Béla eine sogenannte wirtschaftliche Stabilisierung mit sich, da er die erste ungarische Währungsreform einführte. König Stephans Denaren wurden für ungültig erklärt und man begann mit der Emission von Silberpfennigen (aus reinem Silber). Auf dem internationalen Devisenmarkt stand damals der Kurs im Verhältnis zu byzantinischen Gulden 40 zu 1. (40 SBF = 1 BG). Wo aber hatte man die Möglichkeit, die Münzen auszugeben? Chroniken berichten über einen intensiven Handel, der sich auf den von jüdischen Händlern etablierten Markt zu Esztergom konzentrierte. Der Ausfuhrweg in die westliche Richtung führte über die Donau nach Passau und Regensburg und im Süden nach Byzanz. Aus deutschen Quellen wissen wir, dass Mainzer und Regensburger Juden zu den Stammkunden des Marktes zählten. Sie erwarben hier billiges ungarisches Kupfer, Silber und Gold und verkauften ihre aus diesen Importgütern hergestellten Schmuckwaren.
Der wahre Schatz und Stolz des ungarischen Volkes, das Pferd, stand allerdings auf der damaligen Embargoliste unter Ausfuhrverbot. Die Genehmigung zum Verkauf wurde nur in seltenen Fällen erteilt, stets vom König persönlich. Dennoch ist anzunehmen, dass Verordnungen bereits im 11. Jahrhundert nicht so strikt eingehalten wurden und es so etwas wie einen Schwarzmarkt gab. Liefen Pferde über die grüne Grenze hinüber, wurden sie als „entlaufen“ deklariert, sorgten aber letztendlich für die Blutauffrischung des westeuropäischen Pferdebestandes.

Unter Mitwirkung der zwei Ältesten aus jedem Dorf sollte der Königliche Rat, der Vorbote eines Landtages entstehen. Die erste derartige Versammlung wurde in Székefehérvár einberufen. Zur Entrüstung der Organisatoren erschien außer den geladenen Gästen eine Menschenmenge.
Der alte ungarisch-„heidnische” Traum war zu neuem Leben erwacht. Dem getauften Staatsoberhaupt war es abermals gelungen, die christliche Weltanschauung aufrechtzuerhalten. Seine Gesundheit erlitt jedoch irreparable Schäden und der mit Judith im deutschen Exil lebende Salomon marschierte 1063, wie nunmehr traditionell, mit dem deutschen Heer nach Ungarn ein.
König Salomon stellte eine Art „Kolalitionsregierung mit seinem Cousin, Herzog Geisa (1048-1077). Sowohl in innenpolitischen als auch in auswärtigen Angelegenheiten waren sie jahrelang einig: Miteinander führten sie Feldzüge nach Dalmatien und später nach Böhmen. In die Idylle drängten sich wieder die Interessen der Weltpolitik hinein: Hinter Salomon stand der deutsche Kaiser und hinter Geisa der Feind der Deutschen, der Papst aus Byzanz. Um Salomons Position zu stärken, zeigte sich das Deutsche Reich zum Einsatz bereit. In dem vom Kaiser geführten deutschen Heer bildeten sich jedoch mehrere Fraktionen aus, die sich gegeneinander ausspielten. Der Berater des Kaisers sollte von den Leuten seines Feindes Geisa so viel „Schmiergeld“ bekommen haben, dass er die Deutschen zum Rückzug bewegen konnte. So löste sich allmählich der Widerstand auf. Aus dem Zweikampf ging jedoch ein Dritter, der Bruder Geisas, László (ursprüngl. Ladislaus) als langfristiger Sieger hervor.