„ Der größte Ungar“- so bezeichnete der Advokat und Abgeordnete Kossuth Lajos 1840 in einer Parlamentsdebatte Istvan Graf Széchenyi, der sein politischer Gegenspieler war.

Er wurde am 21. Sept. 1791 in Wien geboren. Die Familie zählte zu den vornehmsten und kultiviertesten des ungarischen Hochadels.
Traditionsgemäß trat er mit 18 Jahren in die Armee ein, ebenfalls traditionsgemäß unternahm er Reisen, die ihn bis in die Türkei und England führten. Das Ergebnis dieser Reisen war, dass er immer deutlicher die Rückständigkeit seines Vaterlandes erkannte. Er beschloss die Erneuerung Ungarns durch Reformen.

Voll Eifer begann er, der mehrere Sprachen beherrschte, ungarisch zu lernen. Das klingt kurios, doch darf man nicht vergessen, dass in Ungarn die Amtssprache der damaligen Zeit Latein war, die Umgangssprache aber Deutsch.

So war es dann auch eine Sensation, als er Tabus brach und im Landtag der ungarischen Stände, seine Rede statt in lateinischer in ungarischer Sprache hielt.

Bereits 1825 hatte er die Gründung der ungarischen Akademie der Wissenschaften angeregt und 60 000 Gulden, das gesamte Jahreseinkommen aus seinen Gütern, dafür zur Verfügung gestellt.
Der Grundgedanke seiner Reformbestrebungen war, durch allmähliche Erziehung des ganzen Volkes nationale Eigenkräfte zu wecken.

Dazu gehörte die Förderung von Kultur und Wissenschaft genauso wie der Auf- und Ausbau der Industrie, des Handels, des Verkehrs, vor allem aber der Landwirtschaft. Bessere Lebensbedingungen der Bauern waren unerlässlich, aber auch der Abbau der Vorrechte des Adels.
Nach seinen Plänen wurden die Donau und die Theiß reguliert.
Er führte die Dampfschifffahrt auf der Donau ein, rief die erste Eisengießerei und die erste Dampfmühle Ungarns ins Leben.
Er sorgte sich um den Bau der ersten Eisenbahnlinie und eröffnete das „Nationalcasino“.
Er propagierte die Seidenraupenzucht, weckte Interesse an der Pferdezucht, in dem er englische Pferde kaufte und Pferderennen veranstaltete.
Dass die Budapester seit 1837 ein ungarisches Nationaltheater haben, ist ebenfalls seinen Plänen zuzuschreiben.
Sein Hauptanliegen jedoch war eine ständige Verbindung zwischen Buda und Pest, eine dem Eis und Hochwasser trotzende Brücke. Über Jahrzehnte führte er Verhandlungen, besorgte Fachleute aus England und Italien.

Der Politiker Széchenyi wurde jedoch sehr bald links überholt von Kossuth Lajos. Der aus verarmtem Kleinadel stammende redegewandte Advokat wollte schnellere, radikalere Entscheidungen.
Kossuth gewann nicht, weil er die besseren Argumente hatte, sondern weil die Wiener Regierung ihn – übrigens völlig ungerechtfertigt – zu einer 3jährigen Kerkerstrafe verurteilt hatte. Er wurde, so wenigstens sah es das Volk, zum Märtyrer. Kossuth war unbedenklicher und dazu ein mitreißender Redner, der die Wirkung seiner flammenden Reden auf Menschenmassen genau berechnen konnte.

Das Volk hörte auf die Versprechungen von Kossuth, der sich an die Spitze der ungarischen Freiheitsbewegung stellte.
Széchenyi aber quälte sich mit Selbstvorwürfen, er habe mit seinen Reformen das ungarische Volk aufsässig gemacht. Er zerbrach am Widerspruch zwischen seiner Sehnsucht nach einem freien Land und seiner Treuepflicht. Am 5. Sept. 1848 wurde er in die Nervenheilanstalt Dübling bei Wien eingeliefert.

Die ungarische Honvedarmee kapitulierte. Kossuth dankte ab und floh. Sein Einfluss auf die Geisteshaltung der Ungarn war im vorigen Jahrhundert von eminenter Bedeutung, und auch heute gilt er noch als „ Symbol des historischen Ungarns „.
Széchenyi entschied sich für die Kugel, mit der er am 8. Apr. 1860 seinem Leben ein Ende setzte.

Das Leben dieses Mannes war voll von inneren Kämpfen, Zwiespalt und Leid. Nicht nur mit der Rückständigkeit seiner Heimat, auch mit den Hitzköpfen musste er bis zu seinem Tod ringen.
Seine Jugend überschattete das leichtfertige, schuldhafte Verhältnis mit seiner Schwägerin, einer Engländerin, namens Caroline Meade. Viele Jahre nach dem Tod ihres Mannes heiratete er seine große Liebe. Doch die erwartete Spätehe war nicht glücklich.